Zukunft weisen. Familienbilder, Familienmodelle

Die Verantwortung der Elternrolle ist eine sehr große. Für das eigene Kind sollen sich die bestmöglichen Optionen im Leben ergeben: Seien es schulische und berufliche Ausbildung als auch Beziehungen und Familiengründungen. Doch was sind die „besten“ Optionen? Wer legt das fest? Und wie universal anwendbar sind diese Festlegungen?

Die Lebensgestaltung Ihres Kindes kollidiert hierbei in einigen Fällen mit Ihren eigenen Vorstellungen, von dem was Sie sich wünschen.

Lebensrealitäten und –prioritäten entstehen durch den Einfluss der sozialen Umgebung der entsprechenden Zeit; die eigenen Ressourcen und Bedürfnisse positionieren sich innerhalb dieser Gesellschaft, um einen lebenswerten Alltag zu kreieren. Die Erfahrungen, die Sie gemacht haben, um am jetzigen Punkt des Lebens zu stehen, sollen Ihnen nicht abgesprochen werden. Jedoch ist es wichtig zu realisieren, dass ebenso wenig die Erfahrungen Ihrer Kinder in der jetzigen Zeit negiert werden sollten.

Eltern-Kind-Beziehungen sind auf vielen Ebenen schwierig und müssen oft verhandelt werden (siehe Information zu Streitgesprächen und Identitätsstiftende Praxen). Speziell der Punkt Familie wird zu einem Streitthema zwischen den verschiedenen Generationen, die an unterschiedlichen Positionen ihrer Diasporaerfahrung stehen und sich mit unterschiedlichen Mobilitäten in der deutschen Mehrheitsgesellschaft bewegen.

Die Struktur der Familie ist in traditionellen Bildern von konservativen Familienbildern, auch innerhalb der vietnamesischen Community, als eine Konstellation von Mutter, Vater und (mehreren) Kind(ern) konstruiert. Die Eltern sind im besten Falle als Ehepaar liiert und beide vietnamesischer Herkunft.


Für die Nachfolgegenerationen werden diese Ansprüche gestellt. Die Wichtigkeit des eigenen Kindes wird hierbei von den Eltern immer betont; das Beste soll dem Kind widerfahren, es soll eine bessere Zukunft haben als die Eltern und auch den Eltern im Alter zur Seite stehen und für diese da sein. Nach konfuzianischem Wertebild stehen die Kinder in der Schuld ihrer Eltern, die durch eine zum Teil schwierige Migrations- und Fluchterfahrung und später auch durch sprachliche Barrieren ihr Leben neu gestalten mussten. In einer komplett neuen Lebensumgebung haben Sie es geschafft, das Leben so zu koordinieren, dass Sie und ihre Kinder nun ihren Alltag bestreiten können. Durch diese Annahme und der Bringschuld, die von den Kindern gefordert wird, gestalten sich Diskussionen für zukünftige Familienkonzepte mit den in Deutschland groß gewordenen und sozialisierten Personen als schwierig (Identitätsstiftende Praxen).


Neben der persönlichen Wunschvorstellung, dass das Kind Ihre Träume umsetzt, spielen auch die Meinungen und Werdegänge von bekannten Familien und Freund*innen eine große Rolle. Hierbei geht es besonders um das eigene Kind als Vorzeigebeispiel, um es vergleichbar mit den anderen Kindern des Bekanntenkreises darzustellen und im Optimalfall als besser situiertes. Das „besser situierte“ sind all die oben genannten Vorstellungen, die verfestigt werden als erfolgreichen Werdegang im Leben des Kindes. Das höchste Ziel ist die Vater-Mutter-Kind Familienkonstruktion, finanzieller Wohlstand und Eigentum. All diese Forderungen resultieren aus der persönlichen Vergangenheit und Vorstellungen für die gelebte Gegenwart. An diesem Punkt wäre es wichtig, die persönlichen Vorstellungen mit Möglichkeiten und Realitäten des Kindes abzugleichen und gegebenenfalls zu hinterfragen.


Mit einem offenen Ohr für Ihr Kind und dessen Perspektive kann ein aufschlussreicher Dialog entstehen, von dem, wie dieses sich die Zukunft vorstellt. Die Nachfolgegenerationen befinden sich in einer anderen Alltagsrealität und tragen andere Kämpfe aus, als Sie es damals getan haben. Das bedeutet nicht, dass sich Ihre Kinder von Ihnen abwenden oder „die vietnamesische Kultur“ ablegen. Die hybriden Biographien und Identitäten sind eine wertvolle Bereicherung für das Familienleben, aus denen vielfältige Familienkonstellationen entstehen.


Foto: Jakob Owens / Unsplash