Umgang mit Noten und Zeugnissen

Über das Schuljahr passieren viele Lernprozesse – jedes halbe Jahr versucht das Schulzeugnis diese Prozesse in Leistungen zu übersetzen, die als Zahlenbewertung zusammengefasst werden. Die abgedruckten Ergebnisse auf dem Zeugnis sind seitens der Eltern und Kinder mit (hohen) Erwartungen verknüpft. Fällt dieses schlechter aus als angenommen, sind nicht nur Kinder verunsichert, sondern vor allem die Eltern.

Das Zeugnis übernimmt eine dokumentarische Funktion, um über das Halbjahr hinweg einen Durchschnitt der Arbeit des Kindes zu mitteln. Somit sagen „schlechte“ Noten nicht direkt aus, dass das Kind per se lernschwach, zu faul oder nicht intelligent genug ist. Außerschulische Interessen/ Fähigkeiten oder Wissensstände sowie zwischenmenschliche Beziehungen fließen nicht in diese Dokumentation ein, sind aber wichtiger Bestandteil der Bewertung. Eltern sollten ihre Kinder in dieser wichtigen Phase der persönlichen und akademischen Entwicklung unterstützend begleiten.

Wie kann dieser Prozess aussehen?

  • Bei sehr schlechten Noten im ersten Schritt empathisch sein; das Kind ist mindestens genauso traurig wie die Eltern. Auf keinen Fall mit anderen Kindern vergleichen, solche Gegenüberstellungen prägen sich sehr negativ in das Selbstbewusstsein des Kindes ein. Die Entwicklung ist individuell und Ihr Kind wird es gemeinsam mit Ihrer Hilfe auf dem eigenen Weg schaffen.
  • Das Kind emotional und prozesshaft abfangen; hinter bepunkteten Leistungen stehen Vorbereitungen, Erfahrungen, Ängste und Erwartungen; wenn sich Ihr Kind während dieser Arbeitsphasen Ihnen anvertrauen kann, ändert dies die Art des Lernens und die Motivation.
  • Generell ist es wichtig, das Kind immer wieder auf Fortschritte und Entwicklungen in allen Lebensbereichen aufmerksam zu machen. Je nach Alter kann man dabei unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund stellen. Ein Kind im Grundschulalter kann man beispielsweise dafür loben, dass es schafft, seine Schultasche allein zu packen, Jugendliche kann man darauf aufmerksam machen, wie toll man es findet, dass sie es schaffen, die Schule und Hobbies unter einen Hut zu bekommen. So stärkt man das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen und macht deutlich, dass nicht nur Schulnoten wichtig für das Heranwachsen sind.

  • Die schlechten Noten sind manchmal ein Zeichen dafür, dass der Lernprozess und die Lernmotivation nicht nachhaltig sind. Erfragen Sie, an welchem Punkt Ihr Kind Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren. Es gibt viele Wege des Lernens, vielleicht braucht es einen interaktiveren Ansatz oder eine kleine Lenkung um sich wieder darauf freuen zu können, die Inhalte im Unterricht zu besprechen.
  • Hinterfragen Sie auch ab und zu die Noten Ihrer Kinder, nicht alle Lehrer*innen haben recht. Das bedeutet nicht, dass das Elternteil bei jeder schlechten Note in der Schule ein Gespräch suchen sollte, aber Sie sollten dem Kind die Möglichkeit einräumen, sich gegebenenfalls für die Bewertung zu erklären. Manches Wissen ist vorhanden, aber nicht in die vorgegebene Leistungsform umsetzbar gewesen (Zeitdruck während der Arbeit, schlecht formulierte Fragestellungen, ungünstige Themenwahl, etc.), was nicht bedeutet, dass das Kind den Anforderungen nicht gewachsen ist, sondern vielleicht auf anderen Wegen andere Potentiale hat.
  • Das Abverlangen guter Noten im Sinne des klassischen Leistungsdrucks ist kontraproduktiv und schädlich. Für wen geht das Kind in die Schule? Was möchte es einbringen und wie kann es sich am besten entfalten?
  • Bewerten Sie Ihr Kind nicht zusätzlich über das Notensystem. Das Schulsystem tut dies bereits komplett. Durch Zeugnisse in Notenform wird eine stark verkürzte Darstellung der Stärken und Schwächen gegeben, durch die das Kind voreilig in eine*n gute*n oder schlechte*n Schüler*in kategorisiert wird.
  • Viele Eltern meinen, dass sie ihrem Kind einen Gefallen tun, wenn sie es auch in den Ferien zum Lernen animieren. Das bringt aber in der Regel nicht viel – gönnen Sie Ihrem Kind daher die Freizeit, in der es mit Freund*innen spielt, ins Schwimmbad geht oder Bilder ausmalt. Gemeinsame Aktivitäten, wie Besuche im Museum, im Zoo oder in der Bibliothek, können die Neugier Ihres Kindes wecken. Dann will es vielleicht bald schon von allein mehr zu einem bestimmten Thema wissen!

Wenn Sie das Gefühl haben, dass die schulischen Leistungen Ihres Kindes nachlassen oder dass Ihr Kind nicht mehr gern zur Schule geht, reden Sie mit Ihrem Kind. Darüber hinaus könnten Sie Kontakt mit der Schulleitung bzw. mit den entsprechenden Lehrer*innen aufnehmen und das Gespräch suchen. Das Gespräch sollte aber nicht heimlich hinter dem Rücken Ihres Kindes stattfinden!


Foto: Myles Tan auf Unsplash