Studieren in Deutsch­land

Gründe / Motivation

Nach dem Abschluss der Hochschulreife steht Ihr Kind vor der Entscheidung, wie es für sich selber in den kommenden Jahren lernen, arbeiten und weitere Lebenserfahrung sammeln will. Die Möglichkeiten sind vielfältig; ein Weg ist die akademische Laufbahn über universitäre Institutionen. Hierbei gibt es unzählige Optionen, angefangen von der Studienfachwahl, des Ortes und der Form der Hochschule.

So wie die Pubertät wichtig war, schließt sich nun ein ebenso prägender Lebensabschnitt an, bei dem die gewählte Studienrichtung und der Studienort die Persönlichkeit beeinflusst. Ein neues Lernumfeld, andere Ansätze inhaltlicher Arbeit und neue Kontakte und Netzwerke kommen auf Ihr Kind zu.


Studienfachwahl

Die Wahl eines möglichen Studienganges kann sich als überfordernd herausstellen; in Deutschland bieten knapp 400 Hochschulen die Möglichkeit, sich zwischen über 19.000 Studiengängen zu entscheiden. Die einzelnen Fachbereiche bieten bereits für Schüler*innen Informationstage und Schnupperangebote an, um sich zu orientieren. Auch die Studienberatungsstellen der Hochschulen können als Anlaufstelle in Anspruch genommen werden.

Im Vordergrund des Studienganges sollten persönliche Interessen und Fähigkeiten des Kindes stehen. Das Hochschulangebot war vor 20-30 Jahren noch ein anderes, und klassische Studiengänge wie Medizin, Lehramt oder Jura sind nicht mehr die einzigen Möglichkeiten der akademischen Bildung. Traditionelle Fächer mit Aussicht auf eindeutige Berufsperspektiven geben vielleicht ein Gefühl von Sicherheit, mit einer linearen Vorstellung von Studium – Beruf – Karriere. Doch die Entscheidung sollte Ihrem Kind überlassen werden. Das Studium nimmt viel Zeit in Anspruch und der akademische Bildungsweg ist keine Notwendigkeit, sondern ein Privileg, weiterlernen zu können. Ein Studiengang, mit dem sich das Kind identifizieren und den eigenen Horizont erweitern kann, ist wichtig für Ihr Kind. Das Studium sollte nicht die Ideale erfüllen, die Sie von Ihrem Kind erwarten oder nur als Mittel dienen, um zukünftige Berufswege aufzuzwingen.


Studienabbruch/ Fachwechsel/ Quereinsteigen

Bei der schieren Auswahl kann es durchaus dazukommen, dass Ihr Kind nach einigen Semestern realisiert, dass das aktuelle Studium doch nicht den Interessen entspricht. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • Aufbau und Inhalt des Studiums gestalten sich im Alltag anders als die Beschreibungen der Informationsmaterialien.
  • Durch das neue soziale Umfeld haben sich auch neue Sichtweisen eröffnet und die Relevanz der Studieninhalte hat sich für Ihr Kind verändert.
  • Der Druck durch Regelstudienzeit und der damit verbundene Studienverlauf und die Lehre demotivieren Ihr Kind.
  • Die persönlichen Umstände komprimieren zeitliche und psychische Kapazitäten, um den Unialltag zu bewältigen.
  • Die Strukturen an der jeweiligen Hochschule sind aufgrund von ungerechten Bildungschancen diskriminierend.

Dies sind mögliche Ursachen für die Entscheidung, das Studium zu wechseln oder abzubrechen. Seien Sie sich bewusst, dass dies keine Schwäche Ihres Kindes ist und auch kein Weltuntergang; die Wahl des Studienganges sollte keine angstbehaftete Entscheidung sein, die final die Zukunft und den Werdegang entscheidet. Es ist auch eine Zeit des sich Ausprobierens und häufig eine gute Erfahrung zu wissen, was das Kind doch nicht machen möchte, aber trotzdem die Möglichkeit bestand, es zu testen. Die Zeit, die vergangen ist, sollte nicht als „verschwendete“ Zeit verbucht werden, ganz im Gegenteil: ein Neustart bringt viel Motivation mit und Quereinsteiger*innen bereichern den neuen Studiengang mit anderem Vorwissen und Sichtweisen.

Bei temporären Abbrüchen, beispielsweise durch Umzüge oder Schwangerschaft, gilt auch hier, dass dies kein Defizit sein muss. Das Alter für Studieren ist nicht vorgegeben und individuelle Lebensrealitäten steigen auch an individuellen Zeitpunkten in Lernprozesse ein.

Das Studieren ist zudem eine Art der Bildung, die sehr akademisch verläuft und mit Methoden und Verpflichtungen einhergeht, die für Ihr Kind nicht funktionieren muss. Zwingen Sie Ihr Kind nicht, sich für universitäre Laufbahnen zu entscheiden, lediglich um gesellschaftliche Normen von Bildung und der neoliberalen Vorstellung eines erfolgreicheren Lebens zu erfüllen.

(Aus-)bildung, arbeiten oder Freiräume in Form von Freiwilligendiensten oder Reisen ermöglichen ebenso Perspektiven für Selbstentwicklung und –verwirklichung und führen Ihr Kind vielleicht zu einem wertvollen Punkt seines Lebens, was es mit starrer akademischer Wissensaneignung nicht erlebt hätte.


Welche Arten der Hochschule gibt es?

Universitäten

  • Universitäten sind meist forschungszentriert und bieten in der Regel ein breites Spektrum an Fächern an.

  • Manche Universitäten sind auf bestimmte Fachgebiete spezialisiert, wie etwa technische Universitäten.

  • Ein entscheidendes Merkmal der Universitäten in Deutschland: Nur dort kann man einen Doktortitel erwerben.

Fachhochschule

  • An Fachhochschulen herrscht eine starke Praxis- und Anwendungsorientierung.

  • Vor allem ingenieur-, natur-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fächer werden hier angeboten.

  • Die Fachhochschulen sind neben dem Erststudium beliebte Institutionen, um über Umwege akademische Bildungsangebote wahrzunehmen, beispielsweise nach einer Ausbildung oder bei mehrfachem Fachwechsel an Universitäten.

Kunst- und Musikhochschulen

  • Kunst- und Musikhochschulen sind Universitäten gleichgestellt und bieten Ausbildung in bildenden, gestalterischen und darstellenden Künsten an.
  • Bei der Bewerbung bedarf es hier häufig mehr Vorlaufzeit als bei anderen Studiengängen, da Mappen eingereicht werden müssen. Nach Einreichen dieser Mappen finden Vorstellungs- und Auswahlgespräche in mehreren Runden statt, die ein Teil des Aufnahmeverfahrens sind. Häufig sind die Plätze stark umkämpft, weil die Anzahl der zugelassenen Studienplätze deutlich geringer ist als die Anzahl der Bewerber*innen.

Die meisten Universitäten und Hochschulen sind vom Staat finanziert.

Rankings von Universitäten haben zwar ihre Berechtigung aufgrund von herausragender Forschung/ Förderung und Netzwerken, aber sollten nicht als unbedenkliche Auszeichnung hingenommen werden.

Auch Universitäten mit Exzellenzauszeichnung können problematische Strukturen haben und müssen kritisch behandelt werden, weil das ein wichtiger Prozess ist, um Perspektiven zu erweitern und sich nicht auszuruhen.


Alltag

Neue Verantwortungen kommen auf junge Studierende im Unialltag zu: Fragen des Zeitmanagements, Verpflichtungen und Aufgaben an der Hochschule und grundlegende Haushaltsfragen müssen nun in den meisten Fällen selbstständig koordiniert werden. Das neue Umfeld, sowohl der Wohnort wie auch neue Kommiliton*innen oder zusätzliche Nebenbeschäftigungen stellen Ihr Kind vor die Herausforderung mit sich selber und den veränderten Umständen umzugehen und zwischen all diesen Lebensbereichen eine gute Lösung für sich selber zu finden.

Bedenken Sie, dass all diese Umstellungen auch Zeit benötigen. Freiräume, sowie Zeit, um sich auszuprobieren, müssen eingeräumt werden. Ihr Kind sollte sich nicht die ganze Woche vollpacken, nur um schnellstmöglich das Studium zu beenden.

Die Hochschulen besitzen in der Regel Studierendenausschüsse und Fachschaften, in denen Netzwerke mit ähnlich interessierten Studierenden geknüpft werden können. Diese Strukturen bieten auch eine Vielzahl von Beratungsmöglichkeiten an, beispielsweise zu Themen der Studienfinanzierung, Studieren mit Kind, Antidiskriminierungsstellen und viele weitere.


Finanzierung

In Deutschland muss an staatlichen Universitäten und Hochschulen keine Studiengebühr bezahlt werden. Dennoch kostet ein Studium Geld: Wer an einen anderen Ort zieht, muss beispielsweise Miete bezahlen, zudem fallen Kosten an für Lernmittel und zu Beginn jedes Semesters muss der Universität eine Verwaltungsgebühr sowie das Semesterticket überwiesen werden, was durchaus eine Summe von mehreren Hundert Euro betragen kann. Wie lässt sich das finanzieren?

  • Zum einen können Studierende natürlich einen Nebenjob annehmen – das hängt aber davon ab, wie viel Zeit man hat bzw. wie arbeitsintensiv das Studium ist. Darüber hinaus gibt es nicht in jeder Region Deutschlands ausreichend Studierendenjobs.
  • Die meisten Studierenden haben aber auch die Möglichkeit, Bafög zu beantragen: Dabei handelt es sich um staatliche Unterstützung für Studierende, die bis zu 735€ Euro monatlich betragen kann. Die Hälfte dessen, was Studierende an Bafög erhalten, ist ein Zuschuss, die andere Hälfte ein zinsloses Darlehen – das heißt, man muss die Hälfte der Summe nach Ende des Studiums zurückzahlen. Allerdings sollte man von Anfang an im Blick behalten, dass Bafög nur für einen begrenzten Zeitraum bezogen werden kann (normalerweise während der Regelstudienzeit) und dass, sofern man den Studiengang wechselt, nicht garantiert ist, dass man weiterhin Bafög bekommt. Außerdem muss man nach Antragsstellung unter Umständen mehrere Monate warten, bis man einen Bescheid bekommt – in dieser Zeit muss man sich noch selbst finanzieren!
  • Wenn aus bürokratischen Gründen der Zuschuss über Bafög ausbleibt und finanzielle Unterstützung durch die Familie oder Rücklagen nicht umsetzbar sind, besteht die Möglichkeit des Studienkredits. Dieser wird mit einem niedrigeren Zinssatz vergeben als normale Kredite und ist flexibel anzupassen an die Studiendauer und die benötigte Summe. Beachten Sie jedoch, dass das Vergabeprinzip dem einer Bank gleicht. Die vollständige Summe, wie auch bei der Rückzahlung eines Kredits, ist an Fristen und zusätzliche Kosten gebunden.
  • Darüber hinaus können Studierende sich für ein Stipendium bewerben. Bei einem Stipendium handelt es sich um eine finanzielle Förderung, die nach dem Studium nicht zurückgezahlt werden muss. Stipendien werden u.a. von politischen Stiftungen, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung oder anderen Fördereinrichtungen vergeben. Gute Noten sind wichtig, doch darüber hinaus kommt es meistens auch auf soziales und politisches Engagement an.

Zugangsvoraussetzungen, Bewerbung

Anerkannte Abschlüsse

  • Die allgemeine Hochschulreife – Abitur. Dieses kann an einem allgemeinbildenden Gymnasium, an einem Kolleg oder an einer Abendschule erworben werden.
  • Fachhochschulreife – die Fachhochschulreife kann man unter anderem an einer Fachoberschule, einem beruflichen Gymnasium oder einer Berufsoberschule ablegen.
  • Fachgebundene Hochschulreife – auch diesen Abschluss kann man unter anderem an Fach-gymnasien und beruflichen Gymnasien erlangen.

Darüber hinaus sind je nach Studiengang weitere Voraussetzungen zu erfüllen. So kann es beispielsweise notwendig sein, dass man Fremdsprachenkenntnisse oder Praktika nachweist.

Wenn man sich für einen Studiengang entschieden hat, muss man sich informieren, ob man sich bewerben muss oder ob eine einfache Ausschreibung ausreicht.

Wenn man sich für einen Studiengang entschieden hat, muss man sich informieren, ob man sich bewerben muss oder ob eine einfache Ausschreibung ausreicht.

Auch wenn man die allgemeinen Studienvoraussetzungen erfüllt, kann man sich für manche Studiengänge nicht einfach „anmelden“. Bei besonders beliebten Studiengängen muss man ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Dabei unterscheidet man zwischen örtlicher Zulassungsbeschränkung und bundesweiter Zulassungsbeschränkung.

Örtliche Zulassungsbeschränkung

  • Bedeutet, dass es sich um einen Studiengang handelt, der an einer bestimmten Hochschule beschränkt ist
  • Numerus Clausus: Zulassungsgrenze des Studienfachs, der angibt, welche Bewerber*innen im Vorjahr mit ihrem Notenschnitt und Anzahl der Wartesemester sicher einen Studienplatz erhalten hätten. Der NC ändert sich demnach jedes Semester, abhängig von der Anzahl der Bewerbungen und soll nicht entmutigen, falls die Abiturnote unter dem angegebenen Wert liegt.
  • Es gibt auch Studiengänge, die zulassungsfrei sind! Hier genügt es, wenn man ein Abitur, Fachhochschulreife oder bestimmte berufliche Qualifikationen und langjährige Berufserfahrung vorweisen kann, um sich einzuschreiben. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass es auch hier bestimmte Fristen gibt, die beachtet werden müssen.

Welche Studienabschlüsse gibt es?

Bachelor

  • „Bachelor of Arts“, „Bachelor of Science“, „Bachelor of Engineering“.
  • Beim Bachelor handelt es sich um den ersten berufsbefähigenden Abschluss.
  • Die Regelstudienzeit beträgt drei bis vier Jahre.

Master

  • „Master of Arts“, „Master of Science“, „Master of Engineering“
  • Um an einem Master-Programm teilzunehmen, muss man bereits über einen Bachelor-Abschluss verfügen.
  • Die Regelstudienzeit beträgt ein bis zwei Jahre.

Staatsexamen

  • Studiengänge mit diesem Abschluss studiert man zwar an einer Uni, Abschlussprüfungen werden aber von staatlichen Prüfungsausschüssen vorgenommen.
  • Diesen Abschluss gibt es in den einigen Fachgebieten wie Jura, Ingenieursstudiengängen, Medizin und vielen mehr.

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